Fluggästen stehen seit der „Sturgeon Entscheidung“ (vgl. RRa 2009, 282) des Europäischen Gerichtshofs bei großen Verspätungen Ausgleichsansprüche zu, wenn der Flug an seinem Zielort mit einer Verspätung von mehr als drei Stunden eintrifft. Mit der „Henning Entscheidung“ (vgl. RRa 2014, 291) hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass es hierbei auf den Zeitpunkt ankommt in dem mindestens eine Flugzeugtür geöffnet wird und den Fluggästen das Verlassen des Flugzeugs gestattet ist.
Der BGH hat nun in einem Urteil vom 9.9.2021 (X ZR 94/20) entschieden, dass die Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen den Fluggast trifft. Die Fluggesellschaft ihrerseits muss jedoch ihr zur Verfügung stehende Informationen mitteilen, die Rückschlüsse auf den maßgeblichen Zeitpunkt, also das Türöffnen, ermöglichen.
Im konkreten Fall ging es um einen Flug von Bremen nach Teneriffa, der um 15.25 Uhr ankommen sollte. Aufgrund eines technischen Defektes verspätete sich die Maschine und die klagenden Fluggäste behaupteten, die Ankunft sei um 18.35 Uhr, also mehr als drei Stunden zu spät, erfolgt und verlangten von der Fluggesellschaft 400 Euro Ausgleichsleistung. Die Fluggesellschaft entgegnete unter Vorlage des Bordbuchs, dass die Landung um 18.14 Uhr erfolgt sei, die Parkposition um 18.20 Uhr erreicht wurde und die Tür unmittelbar im Anschluss, in jedem Fall aber vor 18.25 Uhr geöffnet wurde.
Da den Fluggästen der Beweis nicht gelang, dass die Tür nach 18.25 Uhr geöffnet wurde, entschieden die Richter, dass die Fluggesellschaft keinen Ausgleich leisten muss.
Fluggastrechte in der Praxis
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