Entsendebescheinigung A1, Informationen & Praxistipps zur Meldepflicht
Auswärtstätigkeit im Ausland: Meldepflichtig ja oder nein? A1-Bescheinigung immer zwingend
Das Thema ist kompliziert: Gilt die Teilnahme an einem Kongress, einem Seminar oder einer geschäftlichen Besprechung im Ausland bereits als Erbringung einer Dienstleistung und fällt damit unter die EU-Entsenderichtlinie? Und nach welchen Kriterien wird zwischen Dienstreise, Dienstleistung und Entsendung unterschieden? Wir haben die wichtigsten Informationen für Sie zusammengestellt.
Ein Besuch oder eine Teilnahme an Kongressen, Seminaren oder geschäftlichen Besprechungen im Ausland, bei denen keine weitere wertschöpfende Tätigkeit im Sinne einer Dienstleistung vorliegt, ist grundsätzlich zwar eine Entsendung, aber keine Dienstleistungserbringung. Eine Standbetreuung bei Auslandsmessen erfüllt unter Umständen aber bereits die Kriterien der Dienstleistungserbringung – abhängig vom jeweiligen Zielland. Daraus folgt, dass für diese Tätigkeit eine Entsendemitteilung erfolgen muss. Bestimmte Meldepflichten gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des Ziellandes müssen eingehalten werden.
Allerdings werden die Regelungen dazu von den EU-Staaten leider nicht einheitlich ausgelegt. Einige Länder, so zum Beispiel Frankreich fordern seit 2016 auch eine Entsende-Anzeige bei Werksbesichtigungen, der Lieferung von Waren oder Standbetreuung auf Messen. Auch Schweden hat eigene Regelungen: Dauert die Entsendung höchstens fünf Tage, ist keine Anmeldung erforderlich. Im Falle der Verlängerung eines Arbeitseinsatzes hat die Anmeldung spätestens am siebten Tag zu erfolgen.
Aktuelles zu Entsendung und A1-Bescheinigung
Übersicht nationalstaatliche Regelungen
Eine Übersicht über die Regelungen der EU-Mitgliedstaaten findet sich zum einen auf der Website der Europäischen Kommission.
Und auch die IHK (Industrie- und Handelskammern) haben einen Informationsbereich zum Thema „Entsendung“ eingerichtet und geben größtenteils sehr fundierte Auskünfte über Auslandseinsätze in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten. Allerdings greifen nur einige die nationalen Regelungen für Geschäftsreisen im Gegensatz zur entsandten Dienstleistung auf. Detaillierte Informationen können die AHK (Auslandshandelskammern) geben, allerdings müssen auch diese länderspezifisch kontaktiert werden. Das größte Problem besteht darin, dass Dienstreise und Entsendung begrifflich nicht klar abgegrenzt sind, und deshalb in einigen Ländern Regelungen für Dienstreisen gelten, die aus dem Bereich der Entsendung stammen. Mehr dazu unter Hintergrund.
Praxistipps: Sicherstellung der Entsendeprozesse im Unternehmen
Die folgenden Schritte sollten bei Auswärtstätigkeiten im Ausland beachtet werden:
- Evaluieren und festlegen, wer im Unternehmen für das Thema verantwortlich ist.
- Prüfen, welche Bewegungen stattfinden: In welche Länder wird gereist? Was ist meldepflichtig?
- Liegt nach Definition des Ziellandes eine Dienstleistungserbringung vor, muss eine Meldung im Zielland erfolgen. In diesem Fall gilt: Travel- und Personalabteilung müssen zusammenarbeiten (Gehalt, Identifizierungen von Ansprechpartnern für Behörden im Zielland, Datenschutz etc).
- Über Bestimmungen informieren Dienstleister wie z.B. visumPOINT, PWC, E&Y, Deloitte, KPMG. Auch die Website der Europäischen Kommission und die Industrie- und Handelskammern geben Auskunft („Übersicht nationalstaatliche Regelungen“).
- Den Prozess für Meldepflichten (wie auch für A1-Bescheinigungen – siehe unten) für Mitarbeiter klar definieren:
- Wie können betroffene Mitarbeiter möglichst gezielt informiert und sensibilisiert werden (Seminare, Inhouse-Schulungen, Informationsflyer)?
- Welche Möglichkeiten bestehen, die Mitarbeiter bei Nichtbeachtung mit in die Verantwortung/Haftung zu nehmen?
- Welche Möglichkeiten gibt es, den Reisenden vor Reiseantritt „abzufangen“? z.B. Arbeitsanweisung bei Buchungen: „Informieren Sie sich vor Reisantritt bei XY (interne oder externe Ansprechpartner), welche gesetzlichen Bestimmungen im Hinblick auf A1 und EU-Meldepflicht zu beachten sind!“
Die A1-Bescheinigung
Unabhängig von den genannten Regelungen zur Dienstleistungserbringung im Rahmen der Entsendungsrichtlinie ist bei jeder Dienstreise die Beantragung einer A1-Bescheinigung unerlässlich!
Jegliche Tätigkeit im Ausland – unabhängig vom zeitlichen Umfang – unterliegt zunächst nicht mehr dem deutschen Sozialversicherungsrecht. Hierbei ist die Bezeichnung dieser Tätigkeit als Dienstreise (ob mit oder ohne Anspruch auf die Erstattung der Reisekosten) unerheblich. Damit auch für die Zeit der Auslandstätigkeit deutsches Sozialversicherungsrecht fortbesteht, muss eine Entsendung vorliegen, welche innerhalb der EU, des EWR und in der Schweiz durch eine A1-Bescheinigung nachgewiesen wird. Hier helfen die Krankenkassen unkompliziert weiter.
Hintergrund: Die EU-Entsenderichtlinie
Die Vorschriften der EU-Entsenderichtlinie legen fest, dass sich in einen anderen Mitgliedstaat entsandte Arbeitnehmer auf eine Reihe von zentralen Rechten berufen können, die im Aufnahmemitgliedsstaat gelten – obwohl sie nach wie vor Beschäftigte des entsendenden Unternehmens sind und somit das Recht dessen Mitgliedstaats maßgeblich für sie ist. Die EU-Entsenderichtlinie stammt aus dem Jahr 1996, in 2014 wurden die Mitgliedstaaten über eine weitere Richtlinie ausdrücklich zur Durchsetzung verpflichtet, die seit 2016 greift. Aktuell ist eine Reform der Entsenderichtlinie in Arbeit, die entsandten Arbeitnehmern im Ausland nicht nur den Mindestlohn sondern den branchenüblichen Lohn des Einsatzlandes garantieren soll. Dies wird aber erst in etwa vier Jahren zur Umsetzung kommen.
Wird ein Arbeitnehmer entsandt, ist das Unternehmen verpflichtet, eine Entsendemitteilung zu erstellen, d.h. die Meldepflichten zu erfüllen. Damit ist der Entsandte registriert, und es kann überwacht werden, dass die ihm zustehenden Rechte zum Tragen kommen.
Zu den einschlägigen aktuellen Rechten von entsandten Arbeitnehmern gehören:
- Mindestentgeltsätze
- Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten
- bezahlter Mindestjahresurlaub
- Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften durch Leiharbeitsunternehmen
- Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz
- Gleichbehandlung von Männern und Frauen
Fehlende Abgrenzungskriterien Dienstreise – Entsendung
Die Dienstreise ist primär ein innerstaatlicher Begriff. Auf europäischer Ebene gibt es keine einheitlichen Regelungen zum Begriff der Dienstreise. Anders als bei der Entsendung und der Personalleihe gibt es keine europarechtlichen Vorgaben. Auch das deutsche Arbeitsrecht enthält keine einheitliche, allgemeine Definition. Viele Arbeitsverträge sehen unterschiedliche Definitionen der „Dienstreise“ vor und verwenden sie alternierend bzw. überlappend mit dem Begriff „Entsendung“.
Die Dienstreise wird gerne über den vorübergehenden Charakter des Einsatzes definiert, allerdings liegt keine rechtliche Definition des Begriffs „vorübergehend“ vor und das Arbeitsrecht sieht auch keine Mindest- oder Höchstdauer vor. Besonders bei grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsätzen existieren daher keine klaren Abgrenzungskriterien, denn auch die Entsendung ist ein zeitlich begrenzter Einsatz im Auftrag des Arbeitgebers. Für die Dienstreise wie auch für die Entsendung gilt zudem, dass sie Einsätze im Auftrag des Arbeitgebers sind, es liegt keine Eingliederung in den Zielbetrieb vor wie auch keine umfassende Weisungsbefugnis des Zielbetriebs.
Im Gegensatz zur Entsendung erstattet das Unternehmen für die Dauer der Dienstreise Verpflegungs- und Übernachtungspauschalen gemäß Reisekostenrecht. Diese unterschiedliche Behandlung ist aber selbstverständlich kein Indikator dafür, ob der geschäftliche Aufenthalt im Ausland möglicherweise meldepflichtig ist. Auch das Sozialversicherungsrecht spielt bei längeren Auslandsaufenthalten von Arbeitnehmern eine wichtige Rolle – die Krankenkassen geben detaillierte Auskunft darüber, was es hier zu beachten gibt.
Seminare an der VDR-Akademie
Erfahren Sie in den Seminaren der VDR-Akademie, was Sie beachten müssen, wenn Mitarbeitende Ihres Unternehmens grenzüberschreitend tätig sind.
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